Quagga-Muschel im Bodensee (Mai 2019)
Die Einschleppung und Ausbreitung von nicht heimischen Tierarten, sogenannter Neozoen, spielen eine immer größere Rolle für unsere Gewässer, da sie heimische Arten verdrängen können. Dies kann zum Verlust von Biodiversität führen. Die Verschleppung wird durch erhöhte Mobilität, die Öffnung von Schifffahrtswegen über natürliche Verbreitungsgrenzen hinaus und durch den zunehmenden interkontinentalen Warenverkehr begünstigt.
Die Quagga-Muschel
Auch die ursprünglich im Aralsee und dem Schwarzmeerraum beheimatete Quagga-Muschel (Dreissena rostriformis) ist im Bodensee nicht heimisch (Abb. 1).
Sie kann eine Größe von bis zu 40 mm erreichen und wird etwa drei bis fünf Jahre alt. Das Alter eines Individuums lässt sich mithilfe von Altersringen bestimmen. Anhand der Größe ist dies nicht zuverlässig möglich. Das größte Wachstum wird im Frühjahr erreicht und ist abhängig von der Wassertemperatur, der Nahrungsverfügbarkeit, den Sauerstoffverhältnissen und der Strömung.
Quagga-Muscheln bevorzugen Süß- und Brackwasser. Außerhalb des Wassers können sie bis zu 90 Stunden lang ohne größere Schäden überleben. Dabei spielen allerdings Faktoren wie die Temperatur und Luftfeuchtigkeit eine entscheidende Rolle.
Als aktiver Filtrierer erzeugt die Quagga-Muschel aus eigener Kraft einen Wasserstrom, um Nahrungsteilchen aus dem Wasser zu filtern.
Besonders auffällig ist ihr Reproduktionsverhalten. So ist Reproduktion bereits ab einer Wassertemperatur von 5 °C und damit nahezu ganzjährig möglich. Ihr bevorzugter Wassertemperaturbereich liegt zwischen 8 °C und 15 °C.
Quagga-Muscheln sitzen ähnlich wie Austern am Untergrund fest, haben aber freischwimmende Larven. Die Anheftung an den Untergrund (an Hart- und Weichsubstraten) erfolgt mittels sogenannter Byssusfäden. Sie können sich jedoch auch mit einem Fuß fortbewegen. Die Fähigkeit sich an verschiedene Substarte anzuheften (zum Beispiel auf Schalen der Körbchenmuschel (Corbicula fluminea) oder auf Artgenossen) fördert die Entstehung von Muschelbänken.
Unterscheiden lässt sich die Quagga-Muschel von ihrer nächsten Verwandten der Dreikantmuschel (Dreissena polymorpha), die seit den 1960er Jahren im Bodensee zu finden ist, an den deutlich abgerundeten Schalenseiten, die bei der Dreikantmuschel – wie der Name schon sagt – kantig sind. Außerdem bilden die beiden Schalenhälften auf der Unterseite keine gerade Linie sonden schließen bei der Quagga-Muschel leicht „S“-förmig. Die Larven der beiden Muscheln hingegen lassen sich morphologisch nicht unterscheiden.
Aktuelles Vorkommen im Bodensee
Nach dem Erstnachweis des Vorkommens der Quagga-Muschel im Jahr 2016 kam es 2017 zu einer massiven Ausbreitung der Quagga-Muschel. Mittlerweile ist sie überall im Obersee zu finden und wurde bis in eine Tiefe von 180 m nachgewiesen.
Eine schnelle Ausbreitung im Bodensee wurde durch die freischwimmenden Larven sowie den für ihr Wachstum optimalen Temperaturverhältnissen begünstigt.
Die starke Ausbreitung konnte auch durch das ganzjährige Vorkommen von Dreissena-Larven im Zooplanktonfang (bezogen auf 0-100 m) an der Station Fischbach-Uttwil beobachtet werden (Abb. 2). Während in den Jahren vor 2016 nur in den Sommermonaten Larven gefunden wurden, konnten 2017 und 2018 ganzjährig Muschellarven nachgewiesen werden. Es ist davon auszugehen, dass die in den Wintermonaten gefundenen Larven ausschließlich von Quagga-Muscheln stammen, da diese bereits bei niedrigerer Tempe-ratur als die Dreikantmuscheln reproduzieren können.
Ein weiterer Unterschied ist, dass die Larven der Quagga-Muschel in größeren Tiefen als die der Dreikantmuschel zu finden sind (Abb. 3). Während in den 1970er Jahren die Larven nur bis 20 m Tiefe gefunden wurden, sind diese heute auch in 100 m Tiefe ganzjährig nachzuweisen. Aber nicht nur die Larven sind in größeren Tiefen zu finden, sondern auch die fest sitzenden Muscheln. Bemerkenswert ist auch, dass die Anzahl der Larven stark zugenommen hat.
Auswirkungen und Maßnahmen
Welche Auswirkungen die Einwanderung der Quagga-Muschel auf das Ökosystem Bodensee hat und wie sich die Bestände weiterhin entwickeln werden, wird aktuell in dem Interreg-Forschungsprojekt „SeeWandel“ untersucht. Das Projekt „SeeWandel: Leben im Bodensee – gestern heute und morgen“ beschäftigt sich mit dem Einfluss von Nährstoffrückgang, Klimawandel, gebietsfremder Arten und anderer Stressfaktoren auf das Ökosystem Bodensee, sowie die menschliche Nutzung am See (https://seewandel.org/).
Auswirkungen der Quagga-Muschel bestehen auch für die Trinkwasserversorger am Bodensee, da sie in der Wasserentnahmetiefe von etwa 60 m vorkommen. Es werden Maßnahmen ergriffen, um ein Ausbreiten der Muschel in den Anlagen zu verhindern. Eine Beeinträchtigung der Trinkwasserqualität stellen die Larven nicht dar, da sie bei der Aufbereitung des Wassers entfernt werden.
Um einer Verschleppung von gebietsfremden Arten vorzubeugen, sollten zum Beispiel Boote vor Einbringen in andere Gewässer gründlich gereinigt werden, zumindest ist eine Trocknung notwendig. Dasselbe gilt für Angel- und Tauchausrüstungen.
Fazit
Schon in kürzester Zeit konnte sich die neu eingewanderte Quagga-Muschel im Bodensee massiv ausbreiten. Die IGKB wird die Entwicklung auch in Zukunft durch ihr Monitoring weiterverfolgen und Auswirkungen auf das Ökosystem Bodensee untersuchen.